Prof. Dr. Freerk Huisken über Arbeit und Reichtum im Kapitalismus
Aus gegebenem Anlass eine etwas andere Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie des Kapitalismus. Es ist ungerecht, die Montagsdemonstranten als die „Jammerlappen der Nation" abzustempeln. Gejammert wird allenthalben. Unzufriedenheit stellt sich nicht nur bei jenen ein, die gegen Hartz IV protestieren und Arbeit fordern. Ebenso unzufrieden sind Unternehmer, denen Arbeit zu teuer ist, die über Absatzschwierigkeiten klagen, weil sie nicht wissen, wie sie ihre Produkte loswerden sollen, und auf Insolvenzen von Betrieben verweisen, die sich in der Konkurrenz auf dem Markt nicht mehr behaupten können. Die Gewerkschaften beschweren sich über Angriffe auf den geliebten Sozialstaat, den sie doch zur Lösung der sozialen Frage erkämpft haben, sehen die Tarifautonomie gefährdet und möchten die Unternehmer davon überzeugen, dass weitere Lohnsenkungen der Kaufkraft schaden. Aber auch die Regierung stöhnt, weil Wachstum ausbleibt, weil nur ihre Schulden wachsen, die Gesellschaft sich in eine Freizeitgesellschaft zu verwandeln droht und die Bürger einfach zu wenig konsumieren. Eigentlich findet sich auch bei den Säulen dieser Gesellschaft über-haupt nur Unzufriedenheit und Wehklagen. * Beschwichtigende Töne hört man überraschenderweise nur von Kritikern der Marktwirtschaft. Die gehen mit der Parole hausieren, dass alles gar nicht so schlimm sei, dass sich alles zum Guten wenden ließe, denn, sagt Attac, Reichtum ist genug da!
Irgendwie steht die Welt da auf dem Kopf. Grund genug, sich einmal etwas genauer mit diesen Beschwerden, aber auch mit der Beschwichtigung zu befassen. Es stellen sich nämlich einige Fragen: Wieso erklären Menschen Arbeit zu einem Bedürfnis? Sollten sie nicht froh darüber sein, dass sie von Arbeit befreit sind? Warum kritisieren Unternehmer an Arbeit den Preis? Kommt es bei Arbeit nicht auf Zweckmäßigkeit, Qualität und auf Bequemlichkeit bei ihrer Verrichtung an? Was sind eigentlich die Schwierigkeiten beim Absatz von lauter prächtigen Gebrauchsartikeln? Wieso gilt ausgerechnet zuviel Reichtum als Mangel?
Ist die Menschheit übersättigt, wird sie vom Überfluss belästigt? Irgendwie kann das die Sache nicht ganz treffen, wenn zugleich Betriebsschließungen beklagt werden. Was hat es mit dem Wachstum auf sich, das besonders dem Staat so fehlt und das immer nur mehr wer-den soll? Wieso fehlt es überhaupt, wenn Unternehmer nicht einmal wissen, wohin mit dem ganzen produzierten Krempel? Oder kann man vielleicht einmal erfahren, was da nicht wächst, und warum dieses Ding namens Wachstum nichts taugt, wenn's nicht ständig mehr wird? Wieso rühmen sich unsere leitenden Demokraten nicht damit, die Gesellschaft zur Freizeitgesellschaft ausgebaut zu haben? Wieso ist so etwas ein Beschwerdetitel? Und warum findet es die Gewerkschaft umgekehrt klasse, dass die soziale Frage hierzulande immer noch nicht gelöst ist? Wieso soll der Sozialstaat ein Ruhmesblatt sein? All das ist ziemlich verrückt, aber leider mit System!
Gehalten wurde der Vortrag in der Universität Freiburg am 18. Januar 2005. Vortrag darf weiterverbreitet werden.
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